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Die Perspektive der Kinder zur Bewegten Kita – ein ergänztes Konzept der Bewegten Kita

Fachartikel von Lea-Sophie Kohl

In einer Bewegten Kita dreht sich vieles um die Förderung von Bewegung. Doch was genau wünschen sich die Kinder eigentlich? Was verstehen sie unter Bewegung und was brauchen sie, um sich zu bewegen? Die Perspektive der Kinder liefert uns wertvolle Einblicke und hilft, ihre Bedürfnisse und Interessen besser zu verstehen. In diesem Artikel geht es darum, wie wichtig es ist, die Perspektive der Kinder zur Bewegung ernst zu nehmen und welche wertvollen Möglichkeiten es gibt, diese in den Kita-Alltag einzubinden. Die Gestaltung von Raum, Material und Organisation spielt dabei eine wesentliche Rolle. Die Kinderperspektive wurde mithilfe von Interviews von 38 Kitakindern im Alter von 3 bis 6 Jahren im Rahmen der Doktorarbeit von Lea-Sophie Kohl untersucht (weitere Ausführungen s. Dissertation Kohl 2024a und das Konzept Bewegte Kita s. Kohl 2024b). 

Bewegung aus Sicht der Kinder: Ein Weg zur Welt 

Kinder sind immer und überall in Bewegung. Bewegung ist für Kinder weit mehr als nur Sport. Sie ist eine Form des Ausdrucks und der Weltaneignung. Der interviewte Ole oder die interviewte Liv wissen genau, wie sie sich in der Kita bewegen möchten: durch Springen, Rutschen und Klettern. Bewegung ist ein ständiger Begleiter im Alltag der Kinder, der nicht nur im Sportangebot, sondern auch im alltäglichen Spiel beim Pferderennen oder beim Umblättern der Seiten eines Buchs zum Tragen kommt​. Bewegung ist für Kinder ein selbstverständlicher Bestandteil ihrer Lebenswirklichkeit unabhängig von den Räumlichkeiten (Bewegungsraum, Atelier, Garten, Flur). Kinder wünschen sich in der Kita vielfältige Bewegungsmöglichkeiten, die sie selbstbestimmt nutzen können. Diese umfassen: 

  • Grundbewegungsformen wie Laufen, Springen, Rollen, Balancieren und mehr 
  • Bewegungsspiele z. B. „Feuer-Wasser-Sturm“ oder Bewegungslandschaften 
  • Sportarten wie Fußball oder Kämpfen 
  • Spielen z.B. Rollenspiele, Lego bauen oder Höhlen gestalten 
  • Alltagsaktivitäten wie Lesen oder Basteln 
  • Entspannungsphasen etwa Yoga oder Liegen auf einer Matte 

Besonders spannend ist das breite Bewegungsverständnis der Kinder. Darin zeigt sich auch das Bildungs- und Entwicklungspotenzial, da Bewegung aus Sicht der Kinder ihre motorische Entwicklung fördert, sie ihre eigenen Fähigkeiten erleben und die Welt entdecken (analog zu den theoretischen Überlegungen zur Bewegung in der frühen Kindheit, s. Kohl 2024a). 

Das Konzept der „Bewegten Kita“: Eine Bewegte Pädagogik mit Kinderperspektive 

Das Konzept der „Bewegten Kita“ setzt Bewegung in den Fokus der pädagogischen Arbeit. Primäres Ziel ist sowohl die Entwicklung eines Bildes von sich selbst, der sozialen Welt und der dinglichen Umwelt als auch der Ausbau motorischer Fähigkeiten und Fertigkeiten. Die Umsetzung des Konzepts der Bewegten Kita – ergänzt mit der Kindersicht – wird hauptsächlich durch eine vorbereitete Bewegungsumwelt (Material, Raum, Zeit) verwirklicht. Jedes Kind sollte in der Bewegten Kita die Möglichkeit haben, für sich adäquate, selbstbestimmte Bewegungshandlungen mit selbstgewählten Interaktionspartner:innen im Kontext einer am individuellen Entwicklungsniveau orientierten materiellen und räumlichen Ausstattung zu realisieren. Die interviewten Kinder beschreiben ein Bild einer Bewegten Kita, das von Selbstbestimmung, spielerischer Freiheit und einer Vielfalt an Bewegungsmöglichkeiten für alle Kinder geprägt ist​. 

In Anbetracht dieser Bedeutungen sind pädagogische Fachkräfte gefordert, einen Rahmen zu schaffen, in dem Kinder ihre Bewegungsbedürfnisse vielseitig ausleben können. Der Fokus liegt auf der Vorbereitung und partizipativen Gestaltung der Rahmenbedingungen der Bewegten Kita wie Zeiten, Materialien und Räume für die verschiedenen Bewegungsbedürfnisse der Kinder und für deren selbstständigen, selbstbestimmten Bewegungsaktivitäten in einem bewegungsfreundlichen Klima. 

Raumgestaltung: Kinder mitgestalten lassen 

In der Bewegten Kita wird jeder Raum als Bewegungsraum verstanden. Bewegungen sollten nicht nur auf spezielle Bewegungsräume beschränkt sein, sondern der gesamte Innen- und Außenbereich sollte Bewegung ermöglichen.  

Die befragten Kinder äußerten konkrete Wünsche, die in 12 Raumkonzepte für die Gestaltung einer Bewegten Kita mündeten: so träumen sie z.B. von Spielplatzräumen mit Rutschen, Kletterbäumen und Matten zum Toben. Sie wünschen sich zonierte und themenspezifische Räume wie zum Beispiel ein Raum fürs Yoga, Kletterraum, ein Kletterraum, Nischen und eine zweite Ebene (alle Raumkonzepte s. Kohl 2024b). 

Für eine bewegungsfördernde Umgebung sollten Fachkräfte regelmäßig auf die Wünsche der Kinder eingehen und diese aktiv in die Raumgestaltung einbeziehen. Es geht vor allem um „FreiRaum“ für Bewegung, also den permanenten Zugang zu allen Räumlichkeiten mit ausreichend Platz und frei nutzbaren Bewegungsflächen. Auch temporäre Änderungen, wie das „Leerräumen“ von Möbeln für mehr Bewegungsfreiheit, fördern die Bewegungsmöglichkeiten der Kinder. 

Materialvielfalt: Anreize für kreative Bewegung schaffen 

Kinder brauchen eine breite Auswahl an Materialien, die leicht zugänglich und vielseitig einsetzbar sind. Sie äußern klare Vorstellungen von Bewegungsmaterialien, die sie sich wünschen: von Klettergerüsten, Kletterwänden und Rutschen bis hin zu Fahrzeugen und Hula-Hoop-Reifen und viele mehr (Kohl 2024a, S.232ff.). Die Vielfalt der Materialien gibt Kindern Anreize, sich selbstständig und kreativ zu bewegen, ihre motorischen Fähigkeiten zu erweitern und eigene Herausforderungen zu meistern. Das Material sollte an den Bedürfnissen und am Entwicklungsniveau des individuellen Kindes ausgerichtet sein.  

Durch gezielte Materialauswahl und regelmäßige Abwechslung der Materialien können pädagogische Fachkräfte sicherstellen, dass die Kinder stets neue Anreize für dosierte und sichere Herausforderungen im Kontext wagnisreichen Bewegungsformen finden.  

Organisation: Bewegungszeit ist immer und überall 

Für Kinder gibt es keinen festgelegten Zeitpunkt für Bewegung – sie ist in ihren Alltag integriert: jede Zeit ist Bewegungszeit. Die Kita-Organisation sollte daher flexibel genug sein, um diese spontanen Bewegungen zuzulassen. Ein Schwerpunkt eines kindzentrierten Konzepts liegt in freien Bewegungszeiten, in denen Kinder selbst entscheiden können, wann und wo und mit wem sie spielen und sich bewegen möchten. 

Die Kinder aus der Studie wünschen sich zudem Räume, in denen sie ohne Erwachsene und damit unbeobachtet agieren können, was oft an Bedingungen wie die Einhaltung bestimmter Verhaltensregeln oder des Vorschulalters gebunden ist. Solche unbeobachteten Zeiten fördern die Eigenverantwortung und die Selbstständigkeit der Kinder, und Studien belegen die positiven Auswirkungen auf Bewegung (Schwarz 2018, S.264). 

Fazit: Kinder brauchen Bewegung und Mitsprache 

Das Konzept der „Bewegten Kita“, ergänzt um die Sicht der Kinder, ermöglicht eine kinderzentrierte, partizipative Bewegungsförderung. Indem pädagogische Fachkräfte die Bedürfnisse aller Kinder berücksichtigen und in die Gestaltung von Raum, Material und Organisation einfließen lassen, schaffen sie eine Umgebung, in der Kinder sich frei bewegen und selbstwirksam agieren können. Dies stärkt nicht nur ihre körperliche und motorische Entwicklung, sondern auch die Persönlichkeitsentwicklung und die soziale Kompetenz der Kinder, sowie die Lernmöglichkeiten zur bewegten Auseinandersetzung mit der Welt. 

Die Einbeziehung der Kinder in die Gestaltung des bewegten Kita-Alltags trägt dazu bei, dass sie sich als wichtige Akteure wahrnehmen und aktiv an ihrer Umwelt teilhaben entsprechend der Forderungen der UN-Kinderrechtskonvention. Gleichzeitig ist ihre Perspektive entscheidend für ein mehrperspektivisches Verständnis von Bewegung in der frühen Kindheit. Die interviewten Kinder machen deutlich, dass sie pädagogisch gehaltvolle Umsetzungsideen für eine Bewegte Kita haben: Die Kita wird durch ihre Ergänzungen zu einem lebendigen, bewegten Ort, der Kinder stärkt und fördert.

Literaturhinweise: 

  • Kohl, Lea-So
    phie (2024a): Bewegte Kita. Wünsche und Vorstellungen von Kindern zur Bewegung. 
    Dissertation. Pädagogische Hochschule Ludwigsburg 
  • Kohl, Lea-Sophie (2024b): Hüpfen, Hängen, Hula-Hoop. Eine Doktorarbeit enthüllt, was sich Kinder für ihre Bewegung wünschen. In: Theorie und Praxis der Sozialpädagogik, 2/24. Klett-Kita. S.12-15. 
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